Fazit / Ausblick

Bereits die ursprüngliche Vision des Internets von Tim Berners-Lee aus dem Jahre 1989 enthielt Ansätze des heute klar definierten Konzepts des semantischen Webs. Die beschränkten technologischen Möglichkeiten, Umsetzungsversuche mit der Wissenschaft der künstlichen Intelligenz und das einfache Veröffentlichen von Inhalten auch durch Laien, hat das Internet in Bezug auf die semantische Vision erstmal dahin geführt, wo es heute steht. Im Jahre 2000 hat Tim Berners-Lee einen zweiten Anlauf genommen und der Öffentlichkeit sein Architektur-Konzept vom semantischen Web veröffentlicht – das Kind hatte nun einen Namen. Seit der Veröffentlichung der Architektur hat das Thema semantisches Web immer mehr Aufmerksamkeit gefunden. Die Entwicklergemeinschaft und die Forschung haben das Schichtenmodell ständig weiterentwickelt, Verbesserungen an den Technologien vorgenommen und offizielle Standards verabschiedet. Die Unternehmen hingegen haben sich zurückgehalten, was die Verwendung der Standards und die Entwicklung von semantischen Produkten angeht. Dieser Zustand ist vor allem auf das Fehlen eines klaren und verständlichen Nutzens sowie die fehlende Aussicht auf kurzfristigen unternehmerischen Gewinn zurückzuführen. Hier ist zum heutigen Zeitpunkt eine Wendung zu erkennen. Immer mehr Unternehmen implementieren die semantischen Standards in ihre Produkte und Webservices oder loten zumindest die konkreten Möglichkeiten für ihr jeweiliges Geschäftsmodell aus. Ein weiterer Indikator für diesen Wandel ist das vermehrte Aufkommen von Unternehmen, die andere Unternehmen zum Thema semantisches Web beraten.

Dieses Thema gewinnt langsam aber sicher immer mehr an öffentlichem Bewusstsein und die Weiterentwicklung gewinnt infolgedessen zunehmend an Dynamik. Doch warum verlief die Entwicklung bis dato so langsam? Das damalige World Wide Web stellte – zumindest für die allgemeine Öffentlichkeit – eine absolute Innovation dar. Es gab zum damaligen Zeitpunkt nichts Vergleichbares und die Vision eines weltweiten Datennetzes übte eine ungemeine Anziehungskraft aus. Genau das ist heute anders. Das semantische Web ist eine Erweiterung des bestehenden World Wide Webs und auch das Konzept dahinter ist nicht ohne Weiteres zu verstehen. Auch sind die Technologien für Laien und teilweise auch Experten nicht einfach zu erlernen, vor allem aber auch nicht einfach anzuwenden. HTML jedoch war auch von Laien einfach anzuwenden war. Dennoch veranschaulichen die Praxisbeispiele deutlich, dass die bis heute erforschten und offiziellen Technologien des Schichtenmodell bereits enormen Nutzen stiften. Wahrscheinlich werden die ersten semantischen Anwendungen, die auch automatisch schlussfolgern können, in den Intranets der Unternehmen entstehen. Sind erstmal die obersten Ebenen des Schichtenmodells vollständig erforscht und offizielle Standards für automatisches Schlussfolgern und die Sicherheit in der selbständigen Kommunikation der Agents verabschiedet, ergeben sich weitere Chancen und Möglichkeiten, die heute in ihrer Vielfalt und ihrer Auswirkung noch nicht absehbar sind.

Sicherlich sieht sich die Entwicklergemeinschaft des semantischen Webs auch mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Die Auseinandersetzung mit den Technologien des semantischen Webs geht weiter – die Web Ontology Language wird für zu komplex gehalten und der Fokus richtet sich auf die Weiterentwicklung von OWL Lite. Auch wird derzeit diskutiert, ob die Kombination von Logik und Ableitungsregeln nicht doch viel zu komplex ist und alternativ RDFS mit Ableitungsregeln für diese Zwecke kombiniert werden könnte.¹

Sicherheit und Datenschutz wird weitaus mehr an Wichtigkeit gewinnen, als diese Themen ohnehin im heutigen World Wide Web schon haben. Die Aktivitäten eines Nutzers können aus vielen verschiedenen Quellen zu einem einheitlichen Profil zusammengeführt werden, die so wiederum von anderen Nutzer abgefragt werden können. Aber auch die Sicherheit in der automatischen Kommunikation der Agents ist noch nicht schlussendlich geklärt.

Eine weitere Herausforderung liegt in der Entwicklung und Verbreitung von Standard-Ontologien. Auch wenn es schon einige Standard-Ontologien beispielsweise aus der Medizin oder Ahnenforschung gibt, fehlt bis heute das Wissen in Unternehmen zur Entwicklung von speziellen Ontologien und der Adaption an Standard-Ontologien. Ebenso ist noch unklar, wie sich Endnutzer in großen Ontologien zurechtfinden können.

Darüber hinaus ist fraglich, ob sich die Unternehmen der absoluten Vergleichbarkeit überhaupt stellen wollen. Verfügt ein Online-Shop nicht über die beste Qualität und nicht den günstigsten Preis, wird er aus den Ergebnislisten der Personal Agents aussortiert – und der Unternehmer überlegt sich zweimal, ob er seine Produkte weiterhin bzw. überhaupt semantisch codiert.

Eine zusätzliche Herausforderung liegt in der Entwicklung von einfach zu handhabenden Werkzeugen für die Endnutzer. Diesen muss in Zukunft eine Möglichkeit geboten werden, ohne die Kenntnisse von Informatik Inhalte im semantischen Web zu produzieren. Mit der Fortentwicklung des semantischen Webs werden Probleme auftauchen, die heute noch nicht abzusehen sind. Je größer jedoch das Verständnis für die Möglichkeiten des semantischen Webs bei allen Involvierten wird, desto eher können diese Probleme gelöst werden und sich das semantische Web bis zu seiner Vollendung entwickeln.

Die Auswirkungen, die durch das semantische Web entstehen, werden alle Bereiche unserer Gesellschaft betreffen. Informationsmanagement, Wissensmanagement, Prozessintegration sind nur einige Teilgebiete, die von den Möglichkeiten des semantischen Webs profitieren werden. Gerade auch im Bereich der Wirtschaft und insbesondere der Medienwirtschaft wird das semantische Web Veränderungen in den Bereichen Contentproduktion, Vermarktung von Content und in der Zusammenstellung von Content bewirken. Das relativ junge Konzept der “Microformats”, mit dem es möglich ist, kleinste Teile von produziertem Content (Video, Text, Bild, Audio) automatisch abzurufen, zuzustellen und zu kombinieren, könnte den Wert von produzierten Inhalten steigern und die Wertschöpfungskette ein ganzes Stück weit verlängern.²

Ebenso ist es vorstellbar, dass die Buchung von Werbeflächen im Internet in Zukunft automatisch über Agents ablaufen könnte. Die Publisher deklarieren ihr Werbeinventar semantisch nach Context, Zielgruppenstrukturen, PageImpression bzw. Aufenthaltsdauer und die Advertising Agents der Werbetreibenden können diese Informationen auslesen und weltweite, fragmentierte Werbeflächen buchen. Auch nicht ausgeschlossen ist ein weltweites, ständig in Kommunikation stehendes Netz von unternehmerischen und privaten Agents. Die unternehmerischen Agents kategorisieren ihre Angebote und die Personal Agents können so konfiguriert werden, dass sie nur bestimmte Kategorien abrufen und auf Aktuelles prüfen. So wird aus Push-Marketing Pull-Marketing. Ein weiterer Gedanke betrifft das Urheberrecht und die Verwertung von Content – wenn alle Ressourcen im semantischen Web eindeutig identifizierbar, auffindbar und abrufbar sind, und die “Proof”- und “Trust”-Schicht den Urheber immer eindeutig identifiziernen kann, dann ist es auch möglich, die Kontrolle über einmal produzierten Content (Spielfilm, Dokumentation, Musik, Bücher, Fotos etc.) zu behalten und diesen langfristig zu verwerten. Vielleicht werden Schüler in Zukunft nicht mehr die DIN-Norm zur Erstellung eines Standard-Briefes erlernen, sondern wie man Daten semantisch aufbereitet und mit den relevanten Ontologien verknüpft. Tim Berners-Lee konstatiert, dass das semantische Web sogar die Evolution des Wissens dieser Welt unterstützen könnte.³

“Das Aufregendste am semantischen Web ist nicht das, was wir uns alles
damit vorstellen können, sondern das, was wir uns jetzt noch gar nicht
vorstellen können.“4


¹ Frank Hermelen, Grigoris Antoniou (2004): A Semantic Web Primer. Herausgegeben von The MIT Press, S. 224.

² Diverse Entwickler (2008): Microfomats. Online verfügbar unter http://microformats.org/, zuletzt geprüft am 12.05.2008.
³ Tim Berners-Lee, James Hendler Ora Lassila (2001): The Semantic Web: a new form of Web content that is meaningful to computers will unleash a revolution of new possibilities. In: Scientific American, H. 284 (5), S. 34–43.
4 Peter Zschunke (2003): Aufräumen im Datenchaos. Herausgegeben von SPIEGEL ONLINE. Online verfügbar unter http://www.spiegel.de/netzwelt/tech/0,1518,253290,00.html, zuletzt geprüft am 12.05.2008.

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